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Auch ohne Abnahme können Mängelrechte beim Bauvertrag geltend gemacht werden.

 

Das OLG Brandenburg schließt sich der wohl herrschenden Meinung in der Rechtsprechung an, dass Mängelrechte ausnahmsweise bereits vor der Abnahme geltend gemacht werden können. Im Rahmen des Baurechts ist dies bei dem BGB-Bauvertrag dann der Fall, wenn der Unternehmer sein Werk für fertig und mängelfrei hält und dies gegenüber dem Auftraggeber zum Ausdruck bringt, indem er trotz Verweigerung der Abnahme durch den Auftraggeber die Mängelbeseitigung endgültig verweigert.

Diese zutreffende Rechtsprechung ist für den VOB/B-Vertrag in § 4 Abs. 7 VOB/B normiert.

OLG Brandenburg, Urteil vom 22.12.2015, Az.: 4 U 26/12

Handelsrecht

Angaben in einem Verkaufsexposé sind in aller Regel nicht bindend, wenn sie keinen Niederschlag in der notariellen Urkunde finden

BGH, Urteil vom 06.11.2015, Az.: V ZR 78/14

 

Sachverhalt

Mit notariellem Vertrag wurde ein bebautes Grundstück verkauft. Der Kaufvertrag enthielt einen allgemeinen Haftungsausschluss, wonach die Haftung des Verkäufers für alle Sachmängel ausgeschlossen wurde.

Im Rahmen eines Verkaufsexposés wurden die Wohnfläche mit ca. 200 m² und die Nutzfläche mit ca. 15 m² angegeben. Später beauftragten die Käufer einen Architekten, der eine tatsächliche Gesamtwohnfläche von 171,74 m² ermittelte. In der Folge verlangten die Kläger u.a. eine auf Minderung gestützte Rückzahlung von EUR 66.411,00.

In den Tatsacheninstanzen wurde die Klage abgewiesen.

 

Urteil

Die dagegen gerichtete Revision der Erwerber hatte keinen Erfolg.

Zunächst hat der BGH jedoch die Begründung der Vorinstanzen zur von ihm bestätigten Klageabweisung verworfen. Diese ließen die Klage insbesondere an dem wirksam vereinbarten Haftungsausschluss scheitern. Dem trat der BGH mit der überzeugenden Begründung entgegen, dass ein allgemeiner Haftungsausschluss für Sachmängel sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH nicht auf eine von den Parteien nach § 434 Abs. 1 Satz 1 vertraglich vereinbarte Beschaffenheit erstreckt.

Der BGH arbeitet aber präzise heraus, dass die Klage insofern keinen Erfolg haben kann, als gerade keine vereinbarte Beschaffenheit hinsichtlich der Wohnfläche vorlag. Die Angaben in dem Exposé waren hier nicht relevant. Der BGH setzt sich mit teilweise widerstreitenden Auffassungen der Obergerichte auseinander. Im Kern entscheidet der BGH, dass eine Beschreibung von Eigenschaften eines Grundstücks oder Gebäudes durch den Verkäufer vor Vertragsschluss, die in der notariellen Urkunde keinen Niederschlag findet, in aller Regel nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 führt. Mit Blick auf das allen Parteien bekannte Beurkundungserfordernis und dessen Bedeutung als Warn – und Schutzfunktion kann der Käufer nicht davon ausgehen, dass der Verkäufer mit ihm eine bestimmte Beschaffenheit des Grundstücks oder Gebäudes – mit der Folge einer nicht ausschließbaren Haftung – vereinbaren will, wenn die geschuldete Beschaffenheit im Kaufvertrag nicht erwähnt wird.

 

Praktische Bedeutung

Der BGH hat hier eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen, die – obschon es sich nicht um eine baurechtliche Angelegenheit handelt – insbesondere auch auf das Bauträgerrecht eine erhebliche Auswirkung haben könnte. Der Bereich im Baurecht, in dem am häufigsten mit Exposés gearbeitet wird, ist das Bauträgerrecht. Die vorliegende Entscheidung betrifft wichtige Rechtsauffassungen hinsichtlich der Frage der vereinbarten Beschaffenheit und der damit zusammenhängenden Bedeutung der notariellen Beurkundung von Verträgen.

Erwerber von Eigentum, insbesondere solche, die im Rahmen von Bauträgerverträgen Wohnungseigentum erwerben wollen, sind zu besonderer Sorgfalt aufgerufen, auch und gerade, wenn es um Detailfragen geht, die vermeintlich in einem Verkaufsprospekt geklärt scheinen.

„Barrierefreiheit“ – Bedeutung der Angaben in einem Verkaufsexposé

OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.07. 2014, Az.: 19 U 27/13

 

Sachverhalt

Der Bauträger beschreibt das zu errichtende Objekt in einem Verkaufsexposé als seniorengerecht und barrierefrei. Die Ausführung ist so beschaffen, dass der Zugang zum Balkon nicht „schwellenfrei“ ist. Eine Erwerberin verlangt im Rahmen einer Widerklage Schadensersatz von dem Bauträger. Das erstinstanzliche Gericht weist die Widerklage der Erwerberin mit der Begründung ab, dass es an einer Vereinbarung über die Schwellenfreiheit fehle.

 

Urteil

Die dagegen gerichtete Berufung der Erwerberin hat Erfolg.

Das OLG Karlsruhe befragte im Rahmen einer Beweisaufnahme zwei Zeugen und kommt zu dem Ergebnis, dass diese anschaulich und widerspruchsfrei aussagten, dass die Erwerberin, die unstreitig seit 1960 schwerbehindert ist, vor Abschluss des Bauträgervertrages im Rahmen eines Gespräches mit dem Geschäftsführer des Bauträgers mitteilte, dass sie davon ausgehe im Alter auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein. Daraufhin habe der Geschäftsführer geantwortet, dann sei die Wohnung genau das Richtige, da diese seniorengerecht und barrierefrei sei. Das Gericht sieht es als nachgewiesen an, dass die Erwerberin dem Geschäftsführer des Bauträgers den Hinweis gegeben habe, sie gehe davon aus, später einmal auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein, weshalb sie auf eine barrierefreie Ausführung der Wohnung Wert lege. Daraus schließt das Berufungsgericht, dass durch den späteren Vertragsschluss auch eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung des entsprechenden Inhalts zustande kam, die insbesondere eine schwellenfreie Ausgestaltung des zum Balkon führenden Zugangs mit umfasste. Entscheidend ist hier, dass nur eine solche der Erwerberin dauerhaft eine uneingeschränkte Nutzung des Kaufobjekts ermöglichte.

Vor diesem Hintergrund und unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Bauträger die Vorstellung der Erwerberin bekannt war, sei der Begriff der Barrierefreiheit hier funktional konkretisierend dahingehend zu verstehen, dass sämtliche Zugänge schwellenfrei auszuführen seien.

 

Praktische Bedeutung

Die Entscheidung ist aus mehreren Gründen – nicht zuletzt im Bauträgerrecht – interessant.

Prozessual arbeitet der Senat zunächst heraus, dass auch die in der gerichtlichen Beschlussfassung über eine Beweisaufnahme zu erkennenden vorläufigen rechtlichen Wertungen des Gerichts zu berücksichtigen ist. Weicht das Gericht in der Folge davon ab, hat es den Parteien dies im Rahmen eines aktenkundig zu machenden Hinweises mitzuteilen und Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Andernfalls ist die betroffene Partei mit weiterem entsprechendem Tatsachenvortrag nebst Beweisantritten in der Folgeinstanz nicht ausgeschlossen.

Im Ergebnis ist diese Entscheidung aber insbesondere und insofern für den Bauträger leerreich, als dieser gehalten ist, auch im Rahmen seines Werbeauftritts genau auf seine Äußerungen zu achten und zu berücksichtigen, dass auch ein Verkaufsprospekt – im Rahmen der Auslegung – bei der Bestimmung der vereinbarten Beschaffenheit eine erhebliche Bedeutung erlangen kann.

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Können Mängelrechte vor Abnahme geltend gemacht werden?

Das OLG Brandenburg schließt sich der wohl herrschenden Meinung in der Rechtsprechung an, dass Mängelrechte ausnahmsweise bereits vor der Abnahme geltend gemacht werden können. Im Rahmen des Baurechts ist dies bei dem BGB-Bauvertrag dann der Fall, wenn der Unternehmer sein Werk für fertig und mängelfrei hält und dies gegenüber dem Auftraggeber zum Ausdruck bringt, indem er trotz Verweigerung der Abnahme durch den Auftraggeber die Mängelbeseitigung endgültig verweigert.

Diese zutreffende Rechtsprechung ist für den VOB/B-Vertrag in § 4 Abs. 7 VOB/B normiert.

OLG Brandenburg, Urteil vom 22.12.2015, Az.: 4 U 26/12