Bauträgerrecht

„Barrierefreiheit“ – Bedeutung der Angaben in einem Verkaufsexposé

OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.07. 2014, Az.: 19 U 27/13

 

Sachverhalt

Der Bauträger beschreibt das zu errichtende Objekt in einem Verkaufsexposé als seniorengerecht und barrierefrei. Die Ausführung ist so beschaffen, dass der Zugang zum Balkon nicht „schwellenfrei“ ist. Eine Erwerberin verlangt im Rahmen einer Widerklage Schadensersatz von dem Bauträger. Das erstinstanzliche Gericht weist die Widerklage der Erwerberin mit der Begründung ab, dass es an einer Vereinbarung über die Schwellenfreiheit fehle.

 

Urteil

Die dagegen gerichtete Berufung der Erwerberin hat Erfolg.

Das OLG Karlsruhe befragte im Rahmen einer Beweisaufnahme zwei Zeugen und kommt zu dem Ergebnis, dass diese anschaulich und widerspruchsfrei aussagten, dass die Erwerberin, die unstreitig seit 1960 schwerbehindert ist, vor Abschluss des Bauträgervertrages im Rahmen eines Gespräches mit dem Geschäftsführer des Bauträgers mitteilte, dass sie davon ausgehe im Alter auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein. Daraufhin habe der Geschäftsführer geantwortet, dann sei die Wohnung genau das Richtige, da diese seniorengerecht und barrierefrei sei. Das Gericht sieht es als nachgewiesen an, dass die Erwerberin dem Geschäftsführer des Bauträgers den Hinweis gegeben habe, sie gehe davon aus, später einmal auf einen Rollstuhl angewiesen zu sein, weshalb sie auf eine barrierefreie Ausführung der Wohnung Wert lege. Daraus schließt das Berufungsgericht, dass durch den späteren Vertragsschluss auch eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung des entsprechenden Inhalts zustande kam, die insbesondere eine schwellenfreie Ausgestaltung des zum Balkon führenden Zugangs mit umfasste. Entscheidend ist hier, dass nur eine solche der Erwerberin dauerhaft eine uneingeschränkte Nutzung des Kaufobjekts ermöglichte.

Vor diesem Hintergrund und unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Bauträger die Vorstellung der Erwerberin bekannt war, sei der Begriff der Barrierefreiheit hier funktional konkretisierend dahingehend zu verstehen, dass sämtliche Zugänge schwellenfrei auszuführen seien.

 

Praktische Bedeutung

Die Entscheidung ist aus mehreren Gründen – nicht zuletzt im Bauträgerrecht – interessant.

Prozessual arbeitet der Senat zunächst heraus, dass auch die in der gerichtlichen Beschlussfassung über eine Beweisaufnahme zu erkennenden vorläufigen rechtlichen Wertungen des Gerichts zu berücksichtigen ist. Weicht das Gericht in der Folge davon ab, hat es den Parteien dies im Rahmen eines aktenkundig zu machenden Hinweises mitzuteilen und Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Andernfalls ist die betroffene Partei mit weiterem entsprechendem Tatsachenvortrag nebst Beweisantritten in der Folgeinstanz nicht ausgeschlossen.

Im Ergebnis ist diese Entscheidung aber insbesondere und insofern für den Bauträger leerreich, als dieser gehalten ist, auch im Rahmen seines Werbeauftritts genau auf seine Äußerungen zu achten und zu berücksichtigen, dass auch ein Verkaufsprospekt – im Rahmen der Auslegung – bei der Bestimmung der vereinbarten Beschaffenheit eine erhebliche Bedeutung erlangen kann.